Wo warst du - als die Mauer fiel

Wo warst du - als die Mauer fielLeipzig/Berlin. Vor zwanzig Jahren verkündete Günter Schabowski, wohl etwas vorschnell, die Reisefreiheit für DDR-Bürger an. Die nahmen ihn beim Wort, und nur wenig später standen an den Grenzübergängen nach Westberlin Menschenmassen. Hans-Joachim Friedrichs, damals Nachrichtensprecher der ARD und eher bekannt für seine zurückhaltende Art, sprach wenige Minuten nach Schabowskis Pressekonferenz von einem “historischen Tag“.




Die Ankündigung Schabowskis traf alle gleichermaßen unerwartet. Kein Grenzsoldat der DDR, kein Polizist in Westberlin war auf den Ansturm vorbereitet. Keine Befehle, keine Verhaltensregeln… Doch zum Glück wurden sich wohl auch die Grenzer der Tragweite des Moments bewusst. Sie verzichteten, wie am 9.Oktober die Polizei in Leipzig, auf Gewaltanwendung und öffneten nach und nach die Tore gen Westen. Und wann vorher ist jemals ein ostdeutscher Grenzsoldat von Fremden spontan geküsst worden.
Nicht anders als den Menschen in Berlin ging es der großen Politik. Condoleezza Rice, damals im Weißen Haus für die Beziehungen zur Sowjetunion mitverantwortlich erinnerte sich, sie habe vom Präsidenten den Hinweis bekommen, CNN einzuschalten. Und der damalige Osteuropaverantwortliche des Auslandsgeheimdienstes der USA, CIA, räumte später in einem Interview ein: “Washington hat vom Fall der Mauer von CNN erfahren, nicht vom CIA.“  Kein anderes Bild zeigte sich in Warschau, wo Bundeskanzler Kohl auf Staatsbesuch war. Auch dort trafen die Informationen durch Journalisten schneller ein als auf dem Dienstweg. So oder ähnlich ging es allen Regierungen. Und während sie versuchten, sich ein Bild von der Lage zu verschaffen hatten die DDR-Bürger Fakten geschaffen und West-Berlin für sich “eingenommen“, herzlich empfangen von den Berlinern auf der anderen Seite der Mauer.
Und so nahmen die Berliner in dieser Nacht des 9. November 1989 Liedzeilen von Konstantin Wecker und Pippo Pollina vorweg, die einige Jahre später in ihrem Lied “Questa nouva realta“ sangen: “… das wird ein Fest, ohne Marschmusik und Fahnen, ohne Waffen und Grenzen, lieber grenzenlos Wein…“
Wo warst du in dieser Nacht – diese Frage konnte unser Redakteur Ingolf Neumann genau beantworten: “Gar nicht weit weg, und doch nicht dabei. Die Kaserne, in der ich meinen Wehrdienst leistete, war keine 10 Kilometer von der Mauer entfernt. Und doch haben wir erst am Morgen des 10. November vom UvD beim Wecken von den Geschehnissen des Abends und der Nacht erfahren.“ Weiter berichtete er von der ausgelassenen Stimmung auf Potsdams Straßen und vielen Menschen, die den Soldaten auf dem Weg zum ASK Potsdam mit ihren Ausweisen zuwinkten. Aber auch, dass gegen Mittag seine Einheit, das 2. Mot. Schützenregiment in Stahnsdorf, in erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzt wurde. Im Verlauf des Monats kamen immer wieder Teile des Regiments an der Berliner Mauer zum Einsatz.
20 Jahre, nachdem die ersten Löcher in die Mauer gerissen wurden, ist sie aus dem Berliner Stadtbild fast völlig verschwunden. Eine Linie auf der Straße erinnert noch an ihren Verlauf. 20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es eine aus der DDR stammende gesamtdeutsche Bundeskanzlerin. Und nur 20 Jahre nach dem Ereignis wissen viele Jugendliche nichts oder wenig über die DDR und ihr Ende. Doch nur wer seine Geschichte kennt, kann aus ihren Fehlern lernen. Umso wichtiger erscheinen Veranstaltungen wie die Montagsgespräche im Museum in der Runden Ecke in Leipzig, in denen Zeitzeugen zu Wort kommen.

(jrs)

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